Zimtipunzel

27.07.2020 19:23

 


Am Rande des Perlentaucherlagers hatte Zimtbrötchen ihre Zelte aufgeschlagen. Sie schmierte gerade viele Butterbrote als Proviant für die bevorstehende Reise und kam dabei in Plauderlaune. Sie richtete Flüsterschwinge, die interessiert lauschte von ihrem bisherigen Leben. Von ihrer Kindheit, Jugend und was passierte bevor sie über Hiraja nach Drakanien kamen. „Los nicht trödeln! Du musst schneller das Brot in Scheiben schneiden, so kann aus dir keine OP Brotabschneiderin werden. Die beiden Frauen lachten und Zimti begann zu erzählen:

Ich erzähle es mal wie ein Märchen, dann kannst du besser verstehen warum ich so bin wie ich bin. Es war einmal ein Mann und eine Frau, die wünschten sich schon lange vergeblich ein Kind, endlich machte sich die Frau Hoffnung ihr Wunsch würde sich erfüllen. Die Leute hatten in ihrem Hinterhaus ein kleines Fenster, daraus konnte man in einen prächtigen Hof sehen, der voll der schönsten Leckerein und Backwaren stand; er war aber von einer hohen Mauer umgeben, und niemand wagte hinein zu gehen, weil er einer Zauberin gehörte, die große Macht hatte, und von aller Welt gefürchtet wurde. Die Düfte von frischen Brötchen, Waffeln und Kuchen verbreiteten sich in der ganzen Gegend und lockten immer viele Reisende an. Meist fragten sie ob das Schlaraffenland in der Nähe sei und meine Eltern reagierten meist sehr genervt und abweisend.

Eines Tags stand die Frau an diesem Fenster und sah in den Bäckerhof hinab, da erblickte sie ein Blech, das mit den schönsten Zimtbrötchen belegt war: und sie sahen so frisch und lecker aus, dass sie lüstern ward und das größte Verlangen empfand von den Zimtbrötchen zu essen. Das Verlangen nahm jeden Tag zu, und da sie wusste dass sie keines davon bekommen konnte, so fiel sie ganz ab, sah blass und elend aus. Da erschrak der Mann und fragte 'was fehlt dir, liebe Frau?' 'Ach,' antwortete sie, 'wenn ich keine Zimtbrötchen aus dem Garten hinter unserm Hause zu essen kriege, so sterbe ich.' Der Mann, der sie lieb hatte, dachte 'eh du deine Frau sterben lassest, holst du ihr von den Zimtbrötchen, es mag kosten was es will.' In der Abenddämmerung stieg er also über die Mauer in den Garten der Zauberin, nahm in aller Eile eine Hand voll Zimtbrötchen und brachte sie seiner Frau. Sie aß sie sogleich in voller Begierde auf. Sie hatten ihr aber so gut, so gut geschmeckt, dass sie den andern Tag noch dreimal so viel Lust bekam. Sollte sie Ruhe haben, so musste der Mann noch einmal in den Hof steigen. Er machte sich also in der Abenddämmerung wieder hinab, als er aber die Mauer herabgeklettert war, erschrak er gewaltig, denn er sah die Zauberin vor sich stehen. 

 

'Wie kannst du es wagen,' sprach sie mit zornigem Blick, 'in meinen Garten zu steigen und wie ein Dieb mir meine Zimtbrötchen zu stehlen? das soll dir schlecht bekommen.' 'Ach,' antwortete er, 'lasst Gnade für Recht ergehen, ich habe mich nur aus Not dazu entschlossen: meine Frau hat eure Zimtbrötchen aus dem Fenster erblickt, und empfindet ein so großes Gelüsten, dass sie sterben würde, wenn sie nicht davon zu essen bekäme.' Da ließ die Zauberin in ihrem Zorne nach und sprach zu ihm 'verhält es sich so, wie du sagst, so will ich dir gestatten Zimtbrötchen mitzunehmen so viel du willst, allein ich mache eine Bedingung: du musst mir das Kind geben, das deine Frau zur Welt bringen wird. Es soll ihm gut gehen, und ich will für es sorgen wie eine Mutter.' Der Mann sagte in der Angst alles zu, und als die Frau in Wochen kam, so erschien sogleich die Zauberin, gab dem Kinde den Namen Zimtbrötchen und nahm es mit sich fort. „Und deine Eltern, äähm ich meine die Eltern von dem Kind haben das einfach so geschehen lassen?“ Zimtbrötchen errötete etwas und meinte das sie dazu nichts sagen kann, aber sie war ja eine mächtige Zauberin und was hätten sie denn machen sollen.

Zimtbrötchen ward das schönste Kind unter der Sonne. Als es zwölf Jahre alt war, schloss es die Zauberin in einen Turm, der in einem Walde lag, und weder Treppe noch Türe hatte, nur ganz oben war ein kleines Fensterchen. Wenn die Zauberin hinein wollte, so stellte sie sich unten hin, und rief


Zimtbrötchen, Zimtbrötchen,
lass mir dein Haar herunter.'


Zimtbrötchen hatte lange, wirklich lange prächtige Haare, fein wie gesponnen Gold. Wenn sie nun die Stimme der Zauberin vernahm, so band sie ihre Zöpfe los, wickelte sie oben um einen Fensterhaken, und dann fielen die Haare zwanzig Ellen tief herunter, und die Zauberin stieg daran hinauf.


Das kleine Brötchen lernte früh sich allein zu beschäftigen. Sie lass viele Bücher, alles was ihr die Zauberin mitbrachte: von Poesie bis hin zu komplizierter wissenschaftlicher Fachliteratur. Bald wusste Zimtbrötchen fast alles was die Menschheit zu dieser Zeit wissen konnte. Nur wie es sich anfühlte unter anderen Menschen zu leben, dass wusste sie nicht. Nach ein paar Jahren trug es sich zu, dass der Sohn des Königs durch den Wald ritt und an dem Turm vorüber kam. Da hörte er einen Gesang, der war so lieblich, dass er still hielt und horchte. Das war Zimtbrötchen, die in ihrer Einsamkeit sich die Zeit damit vertrieb, ihre süße Stimme erschallen zu lassen. Der Königssohn wollte zu ihr hinauf steigen und suchte nach einer Türe des Turms, aber es war keine zu finden. Er ritt heim, doch der Gesang hatte ihm so sehr das Herz gerührt, dass er jeden Tag hinaus in den Wald ging und zuhörte. Als er einmal so hinter einem Baum stand, sah er dass eine Zauberin heran kam und hörte wie sie hinauf rief


Zimtbrötchen, Zimtbrötchen,
lass dein Haar herunter.'


Da ließ Zimtbrötchen die Haarflechten herab, und die Zauberin stieg zu ihr hinauf. 'Ist das die Leiter, auf welcher man hinauf kommt, so will ich auch einmal mein Glück versuchen.' Und den folgenden Tag, als es anfing dunkel zu werden, ging er zu dem Turme und rief mit noch vorsichtiger Stimme:


Zimtbrötchen, Zimtbrötchen,
lass dein Haar herunter.'


Alsbald fielen die Haare herab und der Königssohn stieg hinauf.


Anfangs erschrak Zimtbrötchen gewaltig als ein Mann zu ihr herein kam, wie ihre Augen noch nie einen erblickt hatten, doch der Königssohn fing an ganz freundlich mit ihr zu reden und erzählte ihr dass von ihrem Gesang sein Herz so sehr sei bewegt worden, dass es ihm keine Ruhe gelassen, und er sie selbst habe sehen müssen. Da verlor Zimtbrötchen ihre Angst, und als er sie fragte ob sie ihn zum Manne nehmen wollte, und sie sah dass er jung und schön war, so dachte sie 'der wird mich lieber haben als die alte Frau,' und sagte ja, und legte ihre Hand in seine Hand. Sie sprach 'ich will gerne mit dir gehen, aber ich weiß nicht wie ich herab kommen kann. Wenn du kommst, so bring jedes Mal einen Strang Seide mit, daraus will ich eine Leiter flechten und wenn die fertig ist, so steige ich herunter und du nimmst mich auf dein Pferd.' Sie verabredeten dass er bis dahin alle Abend zu ihr kommen sollte, denn bei Tag kam die Alte. Die Zauberin merkte lange zeit auch nichts davon, bis einmal Zimtbrötchen anfing und zu ihr sagte 'sag sie mir doch, werte Frau, wie kommt es nur, sie wird mir viel schwerer heraufzuziehen, als der junge Königssohn, der ist in einem Augenblick bei mir.' 'Ach du gottloses Kind,' rief die Zauberin, 'was muss ich von dir hören, ich dachte ich hätte dich von aller Welt geschieden, und du hast mich doch betrogen!' In ihrem Zorne packte sie die schönen Haare des Zimtbrötchen, schlug sie ein paar Mal um ihre linke Hand, griff eine Schere mit der rechten, und ritsch, ratsch, warm sie abgeschnitten, und die schönen Flechten lagen auf der Erde. Und sie war so unbarmherzig dass sie die arme Zimtbrötchen in einen Wilden Wald mit großer Wüstenei brachte, wo sie in großem Jammer und Elend leben musste.


Denselben Tag aber, wo sie Rapunzel verstoßen hatte, machte Abends die Zauberin die abgeschnittenen Flechten oben am Fensterhaken fest, und als der Königssohn kam und rief


Zimtbrötchen, Zimtbrötchen,
lass dein Haar herunter,'


so ließ sie die Haare hinab. Der Königssohn stieg hinauf, aber er fand oben nicht seine liebste Zimtbrötchen, sondern die Zauberin, die ihn mit bösen und giftigen Blicken ansah. 'Aha,' rief sie höhnisch , ' du willst die Frau Liebste holen, aber der schöne Vogel sitzt nicht mehr im Nest und singt nicht mehr, die Katze hat ihn geholt und wird dir auch noch die Augen auskratzen. Für dich ist Zimtbrötchen verloren, du wirst sie nie wieder erblicken.' Der Königssohn geriet außer sich vor Schmerz, und in der Verzweiflung sprang er den Turm herab: das Leben brachte er davon, aber die Dornen, in die er fiel, zerstachen ihm die Augen. Da irrte er blind im Walde umher, aß nichts als Wurzeln und Beeren, und tat nichts als jammern und weinen über den Verlust seiner liebsten Frau. So wanderte er einige Jahre im Elend umher und geriet endlich in die große Wüste, wo Zimtbrötchen mit den Zwillingen, die sie geboren hatte, einem Knaben und Mädchen, kümmerlich lebte. 

 

 

Er vernahm eine Stimme, und sie deuchte ihn so bekannt: da ging er darauf zu, und wie er heran kam, erkannte ihn Zimtbrötchen und fiel ihm um den Hals und weinte. Zwei von ihren Tränen aber benetzten seine Augen, da wurden sie wieder klar, und er konnte damit sehen wie sonst. Die nun glückliche Familie, unterstützt durch den Reichtum des Königssohns bereiste lange Zeit die drakanischen Lande bevor sie endlich sesshaft wurden.

„Und wenn sie nicht gestorben sind…“ spöttelte Flüsti in das Ende hinein. „Ja amüsiere dich nur, aber alles… OK vieles davon ist wirklich so geschehen“ rechtfertigte sich Zimti. „Ja und auch deshalb bin ich auch heute meist solo unterwegs und bin immer gut informiert über alles. Die Zeit im Turm hat ihre Spuren hinterlassen“, klang es leicht wehmütig von unserem Lieblingsbrötchen.