Kapitel 27: Ein Uralter Zwist

03.05.2017 23:41

Ein fernes Klirren und Klopfen hallte von den Felsen des Perlenriffs wieder und brach sich mit der Gischt an den Klippen tief unten vor der Insel. Millionen Wassertröpfchen hingen über der Brandung und funkelten wie ein Seidenschal, der sich um die Insel schmiegt, in der untergehenden Sonne. 
Saabia stand auf einem Felsvorsprung hoch über dem Wasser und war gefangen von diesem atemberaubenden Anblick. Sie sog die salzige, feuchte Luft tief ein, hielt den Atem an und eine wilde Entschlossenheit stieg in ihr auf.

Sie würden diesen wunderbaren Ort niemals aufgeben oder verlieren. Wenn alles vorbei war, würde sie mit Stoney diesen Felsen besteigen und sie würden zusammen die Schönheit dieses wundervollen Fleckchens erleben. Sie atmete hörbar aus und es klang wie ein Versprechen. Die fernen Geräusche drängten sich wieder in ihr Bewusstsein. Sie musste gehen, die Vorbereitungen im Perlenriff waren in vollem Gang. 


Sie hatten sich am Morgen im Perlmuttsaal versammelt, Saabia hatte von ihrer Vision erzählt, Vio konnte dem blauen Phoenixei noch weitere Details zu den Geschehnissen und zum Verbleib von Stoney, Mini und Warrix entlocken und allen anwesenden Perlentauchern wurde die düstere Gefahr und die lebensbedrohliche Tragweite bewusst, wenn Balor seine dunkle Armee auf sie hetzen würde. Manchem stockte bei dieser Vorstellung der Atem, andere verspürten Übelkeit und Mumpi vergaß sogar den Schluck Met hinunter zu schlucken, der als feines Rinnsal nun seinen Bart hinunterlief und zurück in seinen Humpen tropfte.


„Potzdonnerblitz und Zwergengewitter!“ Kamikazezwerg hieb mit der Faust auf die schwere eicherne Tafel, dass es im Saal wiederhallte. Mumpi drehte erschrocken seinen Kopf zur Seite, das Rinnsal Met suchte sich eine andere Bahn durch seinen Bart und tropfte nun auf seine Berserkerhornpfeife und brachte die Glut darin zischend zum Verglühen. „Wir sollten uns noch paar kräftige Kerle besorgen“. Saabia wurde die Kehle trocken und musste schlucken. Wenn Ampiria hier wäre, Grmpf und Warrix und Mini und … Stoney. Didhero legte Saaba ihre Hand auf die Schulter. „Sie werden uns beistehen Saabia“. Saabia nickte flüchtig, „wir sind nicht allein, sie sind es“, flüsterte sie tonlos.


Sie hatten gemeinsam Pläne geschmiedet, verworfen, wieder hervorgeholt, skeptisch diskutiert, repariert und begraben. Sie hatten in Gedanken hitzig Mauern gebaut und nüchtern wieder eingerissen, Fenster verbarrikadiert und Tore mit Zaubern versiegelt. Und festgestellt, dass sie dem Ansturm Balor‘s dunkler Armee kaum etwas entgegen zu setzen hatten.


 


 
Miniela musterte den hochgewachsenen Ammon. Die kleinen Fältchen um seine unendliche Ruhe ausstrahlenden Augen ließen ihn fast amüsiert wirken. Aber der Ausdruck in seinem Gesicht ließ seine innere Anspannung ahnen. „Gegen Balor‘s Zorn könnt ihr mit euren Schwertern nicht ankämpfen“. Er zog leicht die Augenbrauen hoch und die Fältchen um seine Augen erinnerten Miniela jetzt an erhobene beschwörende Hände. Ihr fröstelte leicht und sie rückte unbewusst näher an Warrix heran. 

 


„Es gibt eine uralte Legende, noch aus der Zeit als die Elemente Feuer Wasser Luft und Erde erbittert gegeneinander kämpften“. Ammon beugte sich weiter zu ihnen herüber, das Feuer im Kamin zeichnete Figuren auf sein Gesicht. Und er erzählte ihnen die Überlieferung, nach der die Feindschaft zwischen den Drachen, als Kreaturen des Elementes Feuer, und den Wesen des Wassers auf immer währen würde. Nach den alten Schriften hatte die sechsäugige Schlange Gorga, die sich mit dem Gott des Meeres Okeanos einen beständigen Kampf um die Herrschaft im Reich des Wassers lieferte, die goldene Drachenbrut im verborgenem Heiligtum, der Kultstätte der Feuerwesen, hinterlistig töten lassen.

Die Elemente des Feuers hatten darauf eine erbitterte Antwort. Sie entsandten ihre gefährlichsten und mächtigsten Kreaturen, die Drachen, deren Vielzahl mit ihren mächtigen Flügeln auf ihrem Weg die Welt verdunkelten und das blühende Atlantis in Schutt und Asche legten. 
Der erbitterte Kampf zwischen den Elementen dauerte über viele Jahrhunderte an, immer wieder angestachelt und neu entfacht von der Arglist der Schlange Gorga. Okeanos, der Gott des Meeres, gewann im Laufe der Zeit an Macht zurück und es gelang ihm, Gorga zu überwältigen und er verbannte sie auf ewig in das gefallene Heiligtum. Die Schlange schwor, Okeanos die Macht wieder zu entreißen und die Welt von allen Kreaturen des Feuers zu befreien.


Gorgonenwächter bewachen diese Stätte seit Jahrhunderten und nur mit einem geheimen Relikt kann man dort hineingelangen. Im Laufe der Zeit hatten die Elemente gelernt, sich aus dem Weg zu gehen. Aber der tiefe Hass war nicht begraben, nur oberflächlich verborgen. Ammon schaute ihnen nacheinander fest in die Augen. „Balor und seine Kreaturen des Feuers können nur vom Wasser besiegt werden. Damit wird ein uralter Zwist neu entflammt und unsere Welt geht dem Abgrund einen Schritt weiter entgegen“. Er stockte, setzte dann leise hinzu „eine andere Chance habt ihr nicht, haben wir nicht“.


Ammon streckte bedächtig seinen Arm aus, seine Hand öffnete sich und eine glänzende Perle erstrahlte zwischen seinen Fingern. „Die goldene Träne von Atlantis.“ Ammon hielt das Relikt nun Stoney hin. „Du weißt was zu tun ist“.
Dann blickte er Miniela an und die Fältchen um seine Augen hatten wieder diesen verschmitzten Ausdruck. Ammon streifte mit einer ruhigen Bewegung seine Kette über den Kopf und legte sie Miniela fast zärtlich um den Hals.

„Wann immer du Zuflucht brauchst.“
Er räusperte sich, stand auf. „Ihr habt keine Zeit zu verlieren“. Er schaute alle nacheinander an, als ob er sich ihre Gesichter für immer einprägen wollte. Seine Augenfältchen zogen sich noch weiter nach oben. Er deutete auf die Kette und sagte mit einem Lächeln „Miniela wird euch zurückbringen“.


 


 
Saabia war zum Felsen zurückgekehrt. Didhero traf dort Vorbereitungen und sie musste mit ihr sprechen. Sie sah schon von weitem, wie Didhero die Klippen um die Insel beschwor, die jetzt wie Haifischzähne, scharf und tödlich, aus der Brandung wuchsen und einen Schutzwall um das Perlenriff bildeten. Sie setze an, um inmitten der tosenden Brandung nach Didhero zu rufen.

  „Saabia“.

Sie stockte mitten im Luft holen. Umdrehen, springen, Arme austrecken, alles war eins. Und sie landete in starken Armen, die sie auffingen und liebevoll festhielten, bis sie aufhörte zu schluchzen.